Berliner Abendschau (SFB), 19. 6.1959: Grundsteinlegung für DAG-Jugendheim from Jörn Boewe on Vimeo.
Als die Jugendbildungsstätte in Berlin-Konradshöhe im Frühjahr 2017 geschlossen und unmittelbar danach abgerissen wurde, zog die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Schlussstrich unter mehr als ein halbes Jahrhundert gewerkschaftlicher Jugendbildungsarbeit im Norden Berlins.
1957 hatte die Deutsche Angestelltengewerkschaft DAG das Grundstück an der Oberhavel erworben. Zwei Jahre später legte Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von Berlin (West), den Grundstein für das damals als Ost-West-Jugendbegegnungsstätte gedachte Haus.
In den folgenden Jahrzehnten wurde es zu einem Ort gewerkschaftlicher und demokratischer Jugendbildungsarbeit. Davon fanden die letzten anderthalb Jahrzehnte unterm Dach von ver.di statt, zu der sich DAG und vier weitere Gewerkschaften 2001 zusammengeschlossen hatten.
Allein in den letzten Jahren nahmen hier Jahr für Jahr um die 1200 Jugendliche an Seminaren teil wie: »Rechte und Pflichten in der Ausbildung«, »Beziehungskisten und Gender«, »Entspannt durch die Prüfung« oder »Die Macht der Medien«. Hier trafen sich regelmäßig Jugendliche aus Schulen und Berufsschulen, fanden Kurse für jugendliche Geflüchtete statt. Noch im September 2016 trafen sich junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus Asien, Amerika und Europa, um ihre Positionen für den nächsten Weltkongress der UNI Commerce Global Union vorzubereiten.
Trotz guter Auslastung, erfolgreicher Arbeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit entschied sich die ver.di-Spitze, die Bildungsstätte 2017 zu schließen. Der Entschluss fiel ohne politische Diskussion in der Organisation in einem völlig intransparenten Prozess. Offiziell handelte es sich um eine unabhängige unternehmerische Entscheidung der ver.di-Immobilienverwaltungsgesellschaft.
In Zeiten, in denen rassistische Rechtspopulisten im Aufwind sind, brutaler Kapitalismus soziale Ungleichheit forciert und Gewerkschaften weiter Mitglieder verlieren und angesichts dieser Herausforderungen viel zu schwach sind, ist demokratische und gewerkschaftliche Jugendarbeit wichtiger denn je. Die Schließung der Jugendbildungsstätte Konradshöhe hat deshalb eine weitere empfindliche Lücke gerissen.
Doch die Arbeit der Bildungsstätte hat in über einem halben Jahrhundert Spuren hinterlassen. Diese Dokumentation soll – auf Grundlagen von Interviews mit Akteuren und Zeitzeugen und Archivmaterial – die Geschichte der Bildungsstätte und ihres Trägervereins erzählen. Sie will aber auch zeigen, was davon heute noch bleibt und fortwirkt, Anregungen geben und ermutigen, Jugendbildungsarbeit als existenziell wichtiges Handlungsfeld gewerkschaftlicher Tätigkeit zu begreifen – wenn es auch im 21. Jahrhundert weiterhin Gewerkschaften als relevante Interessenvertretungen abhängig Beschäftigter geben soll.